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Die COVID-19-Pandemie und Mietrecht – Mietminderung wegen Lockdowns?

​NEU: Inkrafttretens neuer Gesetze zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften u. a. im Miet- und Pachtrecht

Das Landgericht München I bejaht und spricht Mietminderung bis zu 80 Prozent zu – jetzt zieht der Gesetzgeber: Am 31.12.2020 ist das neue Gesetz zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Miet- und Pachtrecht in Kraft getreten.

Die COVID-19-Pandemie stellt auch Anwälte und Richter vor ganz erhebliche Herausforderungen im Umgang mit den neuen Situationen und dem geltenden Recht & Gesetz. Insbesondere im Mietrecht stellen sich zahlreiche Fragen, da Miet- und Pachtgegenstände wie Ladenflächen, Restaurants, Hotels etc. aufgrund behördlicher Anordnungen und öffentlich-rechtlicher Rechtsverordnungen nur eingeschränkt, oder während eines angeordneten Lockdowns sogar überhaupt nicht genutzt werden können.

Frau Rechtsanwältin Julika Graf, Anwältin für Mietrecht, beantwortet nachfolgend häufig gestellte Fragen:

1. Ist eine Mietminderung wegen eines gesetzlichen Lockdowns möglich?

Hier ist sich die Rechtsprechung absolut uneinig. Während die Landgerichte Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020 – 5 O 66/20) und Frankfurt am Main (Urteil v. 02.10.2020 – 2-15 O 23/20) Mietminderungen wegen des von März bis Mai staatlich angeordneten Corona-Lockdowns noch verneint haben, hat das Landgericht München I dies nun als erstes Gericht in Deutschland in seinem Urteil (Urteil v.  22.09.2020 – 3 O 4495/20) bejaht. Eine Mietminderung aufgrund eines Lockdowns könnte demnach also grundsätzlich möglich sein.

NEU: Nunmehr wurde ein Gesetz zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften u. a. im Miet- und Pachtrecht beschlossen.

Dieses sieht zunächst bei Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume  sind, ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot vor, sodass derartige Verfahren in Zukunft schneller gerichtlich entschieden werden.

Weiterhin heißt es:

Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Es wird nun gesetzlich vermutet, dass die behördlich angeordnete Zwangsschließung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zum einen „erhebliche Nutzungsbeschränkungen“ für die Mieter und zum anderen „eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage“ im Sinne des § 313 BGB darstellen können. Dies bedeutet, dass sich durch die pandemiebedingten Maßnahmen ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutungsregelung umfasst lediglich das 1. Element des § 313 BGB (Änderung wesentlicher Umstände), sodass die Mieter im Einzelfall weiterhin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der zwei weiteren Elemente tragen (2. Vereinbarung abweichender Regelungen bei Kenntnis der Parteien und 3. Unzumutbarkeit für eine der Parteien am Vertrag festzuhalten).

Durch die gewählten Formulierungen lässt sich die Zielsetzung des Gesetzgebers erkennen, die Verhandlungsposition der Gewerberaummieter zu stärken, um auf dieser verbesserten Verhandlungsbasis eine einvernehmliche und angemessene Lösung mit dem Vermieter zu erzielen. Eine eindeutige Rechtsfolge dieser Regelung sowie eine einseitige Zuordnung des Risikos in die Sphäre einer Partei werden leider nicht eindeutig geklärt. So bleibt es weiterhin einzelfallabhängig und den Parteien überlassen, ob sie eine Minderung der Miete, Stundung der Miete oder sonstige Maßnahme treffen.

2. Wie begründet das Landgericht München I seine Entscheidung, den Mietern eine Mietminderung zuzusprechen?

Ein Recht zur Minderung der Miete kann immer dann vorliegen, wenn die Mietsache ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch jedenfalls teilweise verliert. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Ladenlokal oder Restaurant auf Grund der angeordneten Ladenschließungen für den Kundenverkehr nicht mehr zugänglich ist. Das Landgericht München I hat die öffentlich – rechtlichen Beschränkungen durch den angeordneten Lockdown im Frühjahr 2020 genau als solch einen Mangel an der Mietsache eingestuft.

3. Wie hat das Landgericht München I die Höhe der Mietminderung berechnet?

Die Minderung ist eine proportionale Herabsetzung der Miete gemessen an der Tauglichkeitsminderung der Mietsache. Es wird somit ein prozentualer Teil der Miete gemindert, welcher sich proportional an der (anteiligen) Nichtnutzbarkeit der Mietsache orientiert. Wenn zum Beispiel die Verkaufsfläche eines Einzelhändlers durch gesetzliche Beschränkungen (wie. Z. Bsp. beschränkte Einlassanzahl in Ladenlokal) nicht oder nur teilweise genutzt werden kann, lässt sich für den nicht zu nutzten Teil des Ladenlokals die Miete anteilig mindern.

4. Können auch Mietminderungen in Betracht kommen, wenn kein Lockdown angeordnet ist?

Eine Mietminderung kommt nicht nur in Zeiten von Lockdowns und Pandemien in Betracht, sondern vorwiegend immer dann, wenn die Nutzbarkeit der Mietsache durch einen Mietmangel zumindest teilweise eingeschränkt ist. Hierbei bedarf es keiner vollständigen Nichtnutzbarkeit, da bereits eine teilweise Nichtnutzbarkeit zu einer proportional im Verhältnis stehenden Minderung führen kann. Ausreichend kann daher zum Beispiel schon sein, dass eine Mietfläche wirtschaftlich weniger genutzt werden kann, weil der Zutritt nur einer bestimmten Anzahl von Personen pro m2 erlaubt ist.

5. Weshalb kamen die Landgerichte Heidelberg und Frankfurt am Main zu einem anderen Ergebnis?

Sowohl das Landgericht Heidelberg als auch das Landgericht Frankfurt  haben entgegen der Ansicht des Landgerichts München I die Tauglichkeit der Mieträumlichkeiten zum vertragsgemäßen Gebrauch durch die Nichtnutzbarkeit aufgrund des behördlichen Lockdowns nicht als Einschränkung gesehen, welche dem Vermieter zur Last fällt. In beiden Entscheidungen haben die Gerichte insbesondere ausgeführt, dass die jeweiligen Mietsachen trotz den behördlich angeordneten Schließungen grundsätzlich für die vertragliche vorhergesehene Nutzung geeignet waren und lediglich der konkrete Betrieb durch den Mieter untersagt wurde.

Beide Entscheidungen sind jedoch unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, dass der jeweils vertraglich festgehaltene Zweck der Nutzung der Mietsache sehr weit gefasst wurde, sodass grundsätzlich auch eine andere, nicht von den behördlichen Schließungen betroffene Nutzung möglich gewesen wäre.

Diese Entscheidungen dürften mit der neuen Vermutungsregelung im Kontext des § 313 BGB und den damit einhergehenden stärkeren Verhandlungsposition der Mieter nunmehr ggf. anders zu entscheiden sein.

6. Hat das Urteil des LG München auch für den Rems-Murr-Kreis / die Stuttgarter Region Auswirkungen

Für die Region Stuttgart und den Rems-Murr-Kreis sind zunächst die Stuttgarter Gerichte zuständig, wobei die Argumentation des Landgerichts München I selbstverständlich in die Verfahren in der Region Stuttgart einfließen wird. Ein Urteil der Stuttgarter Gerichte steht noch aus. Die Frage, ob auch Mietern in der Region Stuttgart ein Mietminderungsrecht zustehen könnte, ist also aktuell noch völlig offen.

7. Was müssen Mieter und Vermieter jetzt beachten?

Für den Fall, dass ein Mieter eine Mietminderung geltend machen möchte, ist er grundsätzlich in der Beweispflicht. Mieter sollten daher frühzeitig Vorkehrungen für etwaig später durchzusetzende Mietminderungen getroffen werden. So sollte bei dem Abschluss von Neuverträgen zwingend eine Corona-/Pandemieklausel im Interesse beider Parteien vereinbart werden, um Konflikten vorzubeugen.

Für den Fall einer behördlich angeordneten Nichtnutzung der Mietsache sollten Mieter als auch Vermieter ihren Mietvertrag anschauen. Denn letztlich – das zeigen die Entscheidungen der Landgerichte in Frankfurt, Heidelberg und München I – ist eine Mietminderung aufgrund behördlicher Lockdowns (auch) davon abhängig, was die Parteien explizit im Mietvertrag vereinbart haben. Nicht jede coronabedingte Einschränkung führt automatisch zu einer berechtigten Mietminderung.

Sowohl Vermieter als auch Mieter können sich gerne an uns wenden, wenn Fragen zu ihrem Mietvertrag und einer möglichen Mietminderung bestehen.

8. Gilt das auch für meine privat genutzte Mietwohnung?

Eine Mietminderung kommt nur dann in Betracht, wenn die Mietsache während der Zeit des Lockdowns oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Anordnungen / Rechtsverordnungen nicht oder nur eingeschränkt nutzbar ist – was auf private Wohnungen daher nicht zutreffen wird. Von den gerichtlichen Entscheidungen dürften daher in erster Linie Unternehmer, insbesondere Ladengeschäfte, Gastronomie- und Hotel-Betriebe und Dienstleister betroffen sein.

Sie haben Fragen zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Miet- und Pachtverhältnisse?

Ihre Rechtsanwältin für COVID-19-Recht

Julika Graf


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